“Galleria di Berna” group show, stadtgalerie, bern, 07.08.–22.08.2021
Der Stadtpräsident von Bern schlägt die Schliessung der Stadtgalerie als Sparmassnahme vor. In dieser kurzfristig organisierten Ausstellung (auf Initiative von Remo Stoller, gemeinsam kuratiert mit Miriam Sturzenegger und Luca Beeler) haben Künstler·innen Plakate für in der Zukunft nach der drohenden Schliessung nicht mehr stattfindende Ausstellungen geschaffen. Hier mehr infos dazu.
Ich habe mich gefragt, was jetzt, aber auch in vier Jahren in der Kunst dringend zu verhandeln wäre. Das Prinzip des Plakats ist ein Druckbogen für Flyer. Am Anfang meines Vorschlags steht die Verhandlung einer in der Schweiz relativ lauten Kritik an China unter Berufung auf demokratische Prinzipien. Dem Thema begegnete ich zuerst in Diskussionen mit Alejandra Pinggera Crook. Es scheint uns, dass diese Kritik, meistens aus der Perspektive gebildeter Schweizer oder mitteleuropäischer Mittelschicht formuliert, ein Schlaglicht auf einen selbstzufriedener Blick auf die hiesige politische Ordnung wirft. Vielleicht noch schlimmer: Es wird dabei ein für die grossen Probleme der hier praktizierten Demokratie blind machender abgrenzender Blick auf die Anderen geworfen. Nicht nach ihrer Meinung zu Demokratie gefragt werden hier lebende Migrant·Innen (ohne Stimmrecht) oder Schichten, deren politische Mitsprache nicht ernst genommen wird. Ein damit verknüpftes Thema ist die fest verankerte koloniale Weltsicht (jedenfalls für meine Generation und noch ältere kann ich das einsehen), die den Blick dieser westlichen gebildeten Mittelschicht auf den “Rest der Welt” prägen. Ich nenne es “koloniale Weltsicht” -auch wenn es eigentlich um west-europäisches und nordamerikanisches Überlegenheitsdenken geht – denn die Geschichte dieses Denkens ist natürlich ganz eng mit der Kolonialgeschichte und ihren Rechtfertigungsmechanismen von Unrecht verknüpft, auch wenn nicht immer koloniale Verhältnisse direkt im Spiel sind (wie beim westeuropäischen Blick auf Osteuropa, Japan oder das nicht kolonisierte China). Zu dem Thema gab mir im Verlauf der kurzen Arbeit am Plakat Saman Sarabi wichtige Literaturhinweise, wie das Buch von Patricia Putschert “Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert; Eine Geschichte der weissen Schweiz”, dessen Coverbild, die Collage einer Schweizer Hausfrau aus den 1930er Jahren (aus der Schweizer Illustrierten) und eines Schweizer Himalaya-Bergsteigers aus den 1950er Jahren (ebenfalls aus der Schweizer Illustrierten), ich für einen der Flyer benutzt habe. Mit diesem Hinweis wollte Anabel auch noch mal auf die lokale Teilhabe – in einer Stadt wie Bern – am Kolonialismus, besonders auch in der Form einer Teilhabe am kolonialen Weltbild (durch Populärkultur, Werbung, Schweizer Rassenforschung, der “Erforschung” der noch “unerfassten” Welt am Himalaya usw.), hinweisen. Ich denke, dass nur wenn eine Bereitschaft besteht, koloniales und anderes Abrenzungsdenken bei sich selbst am Werk zu sehen und zu kritisiern, und zwar selbst (oder gerade) in der Berufung auf abstrakte ethisch-politische Prinzipien, es zu einem echten egalitären Austausch kommen kann, wie ich ihn mir für diese Ausstellung in 2025 wünschen würde.
Hier ist also das Plakat: